(t)räume am fenster - die geschichte
früher habe ich oft versucht, meine bilder aus einer wahrnehmungs- und erkenntnistheoretischen perspektive zu erklären. die "(t)räume am fenster" erzählen aber eine geschichte. darum habe ich versucht, die "bildergeschichte" auch sprachlich als abfolge der kontemplativen eindrücke, emotionalen und symbolischen wahrnehmungen, assoziationen und gedanken darzustellen, die ihr zugrunde liegen.
1. sie steht am fenster und sieht nach draußen. nach dem wetter oder was auch immer. und sie fragt sich: wo geht’s hin? ich befinde mich ungefähr da, wo der bildbetrachter sich befindet, und frage mich auch: wo geht’s hin? plant sie? hofft sie? zweifelt sie? was will ich eigentlich? ich bin mir unsicher. aber ich träume und hoffe.
der fokus auf sie beginnt das bild um sie herum sphärisch zu verzerren. sie steht bereits als meine reflexion von ihr neben sich. der raum, in dem wir uns befinden, wird zu einem symbolischen raum. der konkrete raum beginnt, aufzuklappen und sich in einen abstrakten möglichkeitsraum zu verwandeln. andeutung alternativer fokussierungen links und rechts. der hintergrund als symbolischer raum ist fragmentiert. eigentlich beginnt die szene zu fliegen. sie schwebt in einem bedrohlich dunklen all.
2. sie liegt auf ihrem bett und liest (eigentlich liegt sie woanders auf meinem bett und stöbert eins meiner bücher durch, aber es gibt nur eine kulisse ;-). ich wieder betrachter. der fokus wandert mit ihr. was tut sie da? sie gefällt mir, sehr sogar. aber ich bin unsicher und schüchtern, fast ängstlich. die botenstoffe durchfluten mich wie das licht, das zur zeit ständig so unwirklich strahlend durch jedes fenster fällt, vor dem wir uns befinden. sie gefällt mir und ich will sie haben, aber ich empfinde und denke zu weit, um beim ersten schritt nicht erstmal stehenzubleiben...
3. so ergeben sich mehrere ähnliche situationen. ich beobachte sie, bewundere und begehre sie, aber schaffe es nicht, diese unbeschreibliche distanz zu überwinden. aber die bilder drucken sich in meinen kopf und in mein herz. ich kann sie durchblättern wie fotos, ineinanderblenden wie dias, wieder von vorne anfangen wie mit photoshop und überhaupt eine neue version um die andere schaffen. die überblendungen werden immer dichter. antizipationen von früher werden die erinnerungen von jetzt und mischen sich mit den aktuellen eindrücken. der raum der möglichkeiten wird differenzierter und komplizierter. das licht fließt noch immer, es fließt neben ihr, durch sie und über mich. es bricht sich an ihr und in mir. ich glaube, sie sieht nicht, was ich sehe, aber ich kann es auch nicht erklären. ich fange das licht auf und es rotiert in meinem kopf wie in einem leuchtturm, der das licht multipliziert, aber nicht mehr nach außen strahlen kann. das licht rotiert schneller, läuft heiß und...
4. ...es blendet so stark, dass ich die augen schließen muss. die ganze szene kippt von hell erleuchtet ins komplementär: das nachbild geht über in eigengrau. das licht ist in gedanken und emotionen noch da, aber sonst ist alles dunkel. es ist verdammt dunkel, aber das licht steht wie unzerstörbar im unendlichen und ewigen raum hinter den geschlossenen augen.
5. erinnerungen bleiben lebendig. alles in einer maximal dichten überblendung. jede ihrer figuren ist gemeinsam mit ihrer jeweiligen spiegelung anwesend. die rotationen um verschiedene aufmerksamkeitszentren vereinen sich zu einer großen rotation. diesmal farblos, aber in allen details klar sichtbar. der raum ist maximal aufgefaltet und in bewegung.
die drei raumdimensionen ächzen unter der spannung des mentalen hyperraums. ihre geister tanzen immer noch in meinem kopf. das fenster, die lichtquelle, ist von hell zu dunkel invertiert.
6. zirkulierende dunkelheit umgibt das noch dunklere fenster. nacht weht herein. schwärze hängt in der takelage zwischen dunkel geblähten segeln. kaltes licht umspielt die greifbare leere, die sie hinterlassen hat. nur ihr schatten ist noch da. (monate später erklärt mir ein etwa sechsjähriges kind, was ich da gezeichnet habe: ein piratenschiff ;-)
7. mit ein wenig abstand, ergibt sich ein ziemlich dichtes und bewegtes gesamtbild. bei aller klarheit doch völlig undurchschaubar komplex und so scheinbar chaotisch. ganz schön bunt, fast schon schrill. die konzentrierte essenz von monatelanger emotionaler und hormoneller achterbahnfahrt. alle ebenen gehen ineinander und durcheinander, bilden fragmentierte schnittmengen und differenzmengen, ein hyperdimensionales labyrinth in allen farben. das fenster ist nur einer von vielen möglichen eingängen und ausgängen.
wenn ich jetzt so im abstand von ein bis zwei jahren darüber nachdenke, muss ich schon den kopf schütteln. ganz schön viel dafür, dass eigentlich alles nur in meinem kopf passiert ist. aber die geschichte hat mich am ende erstaunlich optimistisch wieder auspespuckt. es bleibt: eine welt in bewegung.